Inside AFD: Der Bericht einer Aussteigerin (German Edition) by Franziska Schreiber

Inside AFD: Der Bericht einer Aussteigerin (German Edition) by Franziska Schreiber

Autor:Franziska Schreiber [Schreiber, Franziska]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Europa Verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2018-08-02T22:00:00+00:00


5. Rechte Freunde: AfD, Pegida und die Identitäre Bewegung

Auf dem Marktplatz von Grimma sitzen die lokalen CDU-Granden mit ihren Familien auf blanken Holzbänken und blicken erwartungsvoll hinauf zur Bühne, auf der Angela Merkel sich an einem Pult festhält, auf dem steht: »Mit Mut. Mit Weitsicht. Miteinander.« Es ist der 31. August 2014, ein heißer Spätsommertag, Wahlkampf in Sachsen, und die Bundeskanzlerin erfüllt routiniert ihre Pflicht. Sie lobt Sachsen und die CDU, deren Ministerpräsidenten von der CDU seit 1990 dafür gesorgt hätten, dass es dem Land vergleichsweise gut gehe: die Schulden pro Kopf niedrig, die Arbeitslosigkeit gering, das Land in der Forschung spitze, die Kinder laut Pisa-Studie so überaus klug. »Das muss auch mit den politischen Weichenstellungen zu tun haben«, sagt sie, und ihre Freunde klatschen. Mit Stanislaw Tillich werde das so bleiben, verspricht sie, also, liebe Bürger dieser schönen Stadt, schenken Sie Ihrem Ministerpräsidenten und der CDU in zehn Tagen wieder Ihre Stimme.

Wer nicht der Partei der Bundeskanzlerin angehört, steht draußen, außerhalb des metallenen Sperrgitters. Drei- bis vierhundert Leute sind gekommen, die hören wollen, was sie zu sagen hat. So auch wir, drei Dutzend Männer und Frauen von der AfD. Bernd Lucke ist da, der Bundesvorsitzende, der den Polizisten verspricht, dass wir den Vortrag des hohen Gasts nicht stören wollen, Frauke Petry, die sächsische Spitzenkandidatin, die sich im Wahlkampf gegen unbegrenzte Zuwanderung ausgesprochen und die Kriminalität in der Grenzregion beklagt hat, und Generalsekretär Uwe Wurlitzer. Mich, zu jener Zeit Vorsitzende der JA Sachsen, hat Uwe Schuffenhauer in seinem Wagen mitgenommen, und nun stehe ich zwischen ihm, dem Meißener Kreisvorsitzenden Mario Assmann und dem sächsischen Parteivize Carsten Hütter. Zu uns gesellt sich auch der Europaabgeordnete Joachim Starbatty. Einige Mitglieder haben blaue Fahnen und Plakate mitgebracht, auf denen steht: »Euro? Nein danke!« und »Mut zur Wahrheit«. Die meisten, auch Lucke, tragen T-Shirts mit der Aufschrift »Mut-Bürger«, einige tragen blaue Jumpsuits, was die Umstehenden zu Scherzen reizt. Wir haben vereinbart, auf Zwischenrufe zu verzichten; wir wollen nicht als brüllende Horde von Störern wahrgenommen werden. Niemand attackiert uns, wir sind in Sachsen, die Sonne scheint, und wir freuen uns auf schöne Fotos für unsere Facebook- und Webseiten.

Leider ist auch die NPD anwesend, und deren Vertreter suchen unsere Nähe. Lasst uns miteinander reden, locken Parteichef Udo Pastörs und Sachsens Spitzenkandidat und Landtagsmitglied Holger Szymanski. Aber mit den Braunen reden wollen wir auf keinen Fall. Und mit ihnen sehen soll uns auch niemand, schon gar nicht auf Facebook. Schon zückt einer der Neonazis das Smartphone, weshalb wir unsere Fahnen einrollen, die Schilder unter unsere Arme klemmen und uns zurückziehen. »Fahnenflucht!«, rufen sie hinter uns her, während hinter der Kanzlerin eine Cessna zu sehen ist, im Schlepptau unser Banner mit der Aufschrift: »AfD wählen!«

So friedlich und leise war der Auftritt der AfD im Spätsommer 2014, bevor die Wähler in Sachsen ihr fast 10 Prozent der Stimmen bescherten, zwei Wochen später den Brandenburgern und Thüringern sogar zweistellige Ergebnisse. Zwar gab es in der Basis ein paar Stimmen, die uns vorwarfen, vor der NPD davongelaufen zu sein, aber niemand forderte damals, man müsse mit den Rechtsextremisten reden.



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